Richard Bauer - Ich muss ins Krankenhaus - Angst steigt in mir auf!!!

Notwendigkeit der Assistenz im Krankenhaus

Ich habe große Angst, wenn ich ins Krankenhaus muss. Aber es ist bei meiner Erkrankung unvermeidbar. Es ist weniger der Krankenhausaufenthalt selbst zu tun, aber mit der Angst vor Unterversorgung im Assistenzbereich. Jedesmal sehe ichmeine lebensnotwendige Assistenz gefährdet und jedesmal stellt ein Krankenhausaufenthalt für mich absoluten Stress dar, weil die Organisation der notwendigen und vertrauten Assistenz zu sichern ist und die Finanzierung.

Ich bin an einer angeborenen Duchenne Muskeldystrophie erkrankt. Die Duchenne Muskeldystrophie ist eine kontinuierlich, progressiv voranschreitende und letztendlich in einer gesamten Körperlähmung verlaufende Erkrankung. Bei einem Krankenhausaufenthalt benötige ich die lebensnotwendige personelle Unterstützungdes individuell geschulten Personals.

Die Voraussetzung, dass meine Grundpflege während einer stationären Behandlung aufgrund der Schwere meiner Erkrankung durch das Krankenhaus sichergestellt wird, ist nicht gegeben. Selbst wenn das Krankenhaus die Notwendigkeit der Assistenzpersonen bestätigt, wird die Finanzierung durch die Krankenkasse und das Bezirksamt verweigert.

Der hohe Pflegeaufwand von Duchenne-Kranken wird vom Krankenhauspersonal nicht erfüllt. Stationen in den Krankenhäusern tragen mit ihren Personalschlüsseln solchen schwer kranken Menschen keine Rechnung. Ohne eine zusätzliche unterstützende Hilfe, einer individuellen Assistenz, ist aber ein Duchenne-Kranker in einem fortgeschrittenen Stadium, so wie ich, hohen Gefahren und Belastungen ausgesetzt. Diese zusätzlichen Belastungen sind nicht hinnehmbar und stellen eine Herabwürdigung meiner dar.

Eine Versorgung im Krankenhaus wird in der Praxis nicht mehr durch das Krankenhauspersonal sichergestellt und das Krankenhauspersonal ist nicht in der Lage, bei Schwerstkranken, wie mich, mit einer Grunderkrankung die erforderliche bis zu 24-Stunden-Assistenzzeit zu bewältigen. Die behinderungsbedingten Bedürfnisse von Patienten, wie bei mir, können durch das Personal kaum erkannt werden.

Im Krankenhaus wurde ich nur mit Assistenz aufgenommen.

Der Verein ambulante dienste e. V. ist erst einmal in der Bereitstellung der Assistenz in Vorleistung gegangen und im Nachhinein wurde mir die zwingend notwendige Assistenz in Rechnung gestellt, da diese seitens des Amtes nicht finanziert wird. Diese Situation ist dann auch noch existenzgefährdend für den Assistenzdienst.

Für meine medizinisch notwendigen Krankenhausaufenthalte habe ich nun Schulden.

Fehlende Assistenz kann zur lebensbedrohlichen Situationen führen. Das Krankenhauspersonal verfügt nur über geringes Wissen zum Thema Schwerbehinderung z.B. individuelle Handgriffe, die das Pflegepersonal nicht kennt, fehlende Kenntnisse über das "richtige Anfassen", Essen anreichen,

Lagern, Drehen oder Ankleiden, Toilettengang etc. Auch wurde ich schon mit einer Erkältung im Krankenhaus aufgenommen und konnte deshalb kaum sprechen. Die Kommunikation war dadurch noch erschwerter und die Schwestern verstanden mich kaum — der Assistent aber schon.

Bei mir besteht die Gefahr, dass beim Verrutschen meines Kopfes Erstickungsgefahr droht. Eine 24h-Assistenz ist deshalb zwingend notwendig. Ich habe keinerlei Möglichkeit, mich zu bewegen und habe weder die Möglichkeit, die Klingel zu drücken noch zu rufen, weil die Kraft fehlt. Eine 1:1 Betreuung leistet das, dasKrankenhaus aber nicht. Die Nahrungsaufnahme muss von einer hilfeleistenden Hilfskraft voll übernommen werden. Das Kauen ist verlangsamt, auch hierfür ist die fehlende Muskelkraft ursächlich. Ungeplante Bedarfe sind hier noch gar nicht erwähnt wie z.B. Brille gerade rücken, am Ohr Jucken etc. Weiterhin helfen mir die Assistenten bei Schriftverkehr z. B. beim Ausfüllen von Formularen, Fenster öffnen, Hilfe bei der Kommunikation in dem sie mir das Telefon an das Ohr halten.

Wer Menschen mit Behinderung gut behandeln will, muss ihre Bedürfnisse kennen.

Der Berliner Senat beschloss eine Finanzierung der Assistenz im Krankenhaus von bis zu 16 Stunden bei einer bewilligten 24 Stunden-Assistenz. Das war ein Lichtblick und anerkennenswert. Wer übernimmt aber die restlichen 8 Stunden??? (Vielleicht darf ich in dieser Zeit gesund und nicht auf Hilfe angewiesen sein?). Und nun weigert sich aber das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg diese 16 Stunden zu bezahlen, weil es meint, der Beschluss sei nicht rechtens!?

Aus den beispielhaft genannten Sachverhalten ergibt sich die zwingende Notwendigkeit einer Assistenz. Die behinderten hilfebedürftigen Menschen sind, wie ich, auch bei geringfügigen Tätigkeiten und Verrichtungen auf Assistenz angewiesen, die sehr zeitaufwändig sind. Das im Rahmen der häuslichen Pflege eingesetztes Pflegepersonal kennt meine individuellen Bedürfnisse. Dies wird auch von den Kliniken bescheinigt.

Im Moment richten die Kostenträger ihre Energie auf die Beweisführung darauf, warum man keinesfalls selbst und ausschließlich andere zuständig seien. Wenn seitens der Kostenträger die Bereitschaft zu einer Lösung des komplexen Problems umgesetzt wird, wäre dies ein Beginn und ich bräuchte keine Angst mehr zu haben, ins Krankenhaus zu müssen...

Karin Striegler - Krankenhausassistenz

Um Ihnen meine Situation anschaulich genug zu schildern, werde ich zu aller erst von meinen traumatischen Krankenhauserlebnissen vor dem Vertragsabschluss mit ad erzählen und der damit verbundenen assistenzlosen Betreuung im Krankenhaus. Jeder Mensch ist individuell und hat somit individuelle Bedürfnisse. Im speziellen Menschen, die ohne Assistenz nicht in der Lage sind selbständig alltäglichen Bedürfnissen nachzugehen.

Bei einem meiner Krankenhausaufenthalte ist beispielsweise aufgrund von Zeitmangel bei der Intimpflege meine Haut in der Leistengegend aufgeplatzt und blutete. Seither sind diese Stellen noch empfindlicher als zuvor. Allein die Vorstellung längere Zeit im Krankenhaus zu verbringen und dort im Speziellen in der Hygiene von Menschen abhängig zu sein, welche meine Bedürfnisse nicht kennen, ist sehr belastend.

Wenn Ganzkörperwaschungen vorgenommen werden, die ich wegen der nicht behindertengerechten Bauweise im Bett vornehmen muss, sind diese sehr zeitintensiv. Eine Waschung nach der ich mich ausreichend sauber und gepflegt fühle, kann durch die vorherrschenden Umstände bis zu 2 Stunden dauern, welche das Personal auf der Station nicht aufbringen kann. Dieser Punkt ist einer von vielen, die berücksichtigt werden müssen. Daher war ich beruhigt, als ich zu ad stieß, da dort Krankenhausassistenz inkludiert ist.

Ich werde nun einen typischen Tagesablauf im Krankenhaus mit Assistenz schildern, um den Umfang, der anfallenden Arbeit zu verdeutlichen. Bei Schichtbeginn (Frühschicht) meiner persönlichen Assistenz, werde ich zu aller erst auf ein Steckbecken gesetzt. Was auch zeitintensiv ist, da dazu ein Lifter benutzt wird, welcher von dem Personal auf der Station nicht verwendet werden darf. Da durch meine Muskelerkrankung meine Lungenfunktion herunter gesetzt ist, sind für mich häufige Lagerungen sehr wichtig, damit verschiedene Lungenbereiche belüftet werden können. Dann bekomme ich die Haare gekämmt und gebunden. Meine Medikation wird nach meinen Angaben vorbereitet und dann wird Frühstück vorbereitet, was z.B. Brötchen schmieren und schneiden beinhaltet. Durch meine Schluckbeschwerden dauert das Essen auch seine Zeit und nachdem ich fertig bin, wird das Tablett von meiner Assistenz weggebracht. Danach werde ich erneut auf das Steckbecken gesetzt um meine Morgentoilette zu verrichten. Darauf folgend erhalte ich eine gründliche Intimpflege und eine Katzenwäsche. Dann werde ich schon für die Therapie vorbereitet, was z.B das Anlegen von geschlossenem IKM-Material enthält, einen erneuten kurzen Stopp auf dem Steckbecken und die richtige Lagerung für den Transport mit dem Bett. Zwischen den Therapien brauche ich Assistenz bei jedem Positionswechsel, z.B. beim Lagern und Drehen. Falls Leerlaufzeiten entstehen aufgrund der unterschiedlich anfallenden Therapiezeiten, werden auch noch Handgriffe, wie beispielsweise das Anschließen des Ladegeräts für den Lifter, oder das Anreichen vom Telefon, das Wechseln des Wassers der Blumen usw. übernommen. Wenn die Therapie sehr frühzeitig begann, bereitet die Assistenz das Mittagessen vor.

Auch kleine Handgriffe sind notwendig, wie beispielsweise das Richten des Nachtschrankes, weil falls er z.B. bei der Reinigung meines Zimmers verrückt wird, habe ich keine Möglichkeit an meine Sachen zu gelangen.

Die Spätschicht macht Gänge zur Cafeteria, die Vorbereitung für das Abendessen. Es wird Tee aufgebrüht, mir werden meine Medikamente angereicht, und ich bekomme noch eine ausführliche Ganzkörperwäsche.

Zwischendurch werde ich auch immer wieder auf das Steckbecken gesetzt. Ich hoffe, dass durch die kurze Schilderung eines für mich typischen Tagesablaufs der Umfang der zu erledigenden Dinge bewusst geworden ist, damit man sich selbst soweit es die Umstände zulassen zumindest wohl in der eigenen Haut fühlen kann.

Also, was wären die Folgen, wenn ich keine Assistenz erhalten würde?

Ich hätte keinen Lifter, der mich tatkräftig bei meinen regelmäßigen Sitzungen auf dem Steckbecken unterstützt und mir überhaupt den Stuhlgang erst ermöglicht. Was wiederum notwendig ist um eine Obstipation zu vermeiden, für die ich durch meine Immobilität sehr anfällig bin. Ich würde sehr wahrscheinlich keine ausreichende Pflege erhalten, meine Hygiene würde stark darunter leiden. Ich würde in den

Wartezeiten vor und nach der Therapie mich nicht richtig lagern lassen können, was zu Dekubitus führen kann. Die kleinen Handgriffe, wie das Lüften oder das Reichen des Telefons, würden zu unangenehmen Situationen führen, da man sich selbst unwohl fühlt, wenn man immer wieder um Hilfe bei dem Personal bitten muss, das keine Zeit hat. Wenn man sich die Situation im Krankenhaus genau ansieht, haben Gesundheits- und Krankenpflegerinnen einfach zu wenig Zeit sich intensiv genug um die individuellen Bedürfnisse eines jeden zu kümmern und genau aus diesem Grund sind Menschen, die intensivere Pflege beziehungsweise Hilfestellung benötigen, auf Assistenz im Krankenhaus durch ihre eingearbeiteten Assistentinnen angewiesen.